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Strategien — Architekturen — Konzepte

Dr. Lukas Werth - Anthropologe und Fotograf


Fotograf ©Lukas WerthLukas Werth, Anthropologe (Ethnologe) und Fotograf, lebt in Berlin. Er arbeitete in Indien und Pakistan. Seine Arbeiten wurden in Berlin, Karlsruhe und Bayreuth ausgestellt. Zwei seiner Bilder wurden in Lyle Rexers “Photography's Antiquarian Avant-Garde: The New Wave in Old Processes” reproduziert, ein Portfolio in der Zeitschrift “Photographie” publiziert.

Seine fotografischen Arbeiten versuchen, die verborgenen Eigenheiten kultureller Räume, deren Assoziationen und ihre Bezüge zu einer humanen Realität als ganzer darzustellen. Diese Realität beinhaltet ebenfalls unsere Träume und Ahnungen, unsere Wünsche, doch auch Einsamkeiten und Unbehaustheiten, und die Zeit, in der wir leben, der kulturelle Kontext, in dem wir leben, träumt, um mit Walter Benjamin zu sprechen, andere Kontexte und andere Zeiten.

Fotograf ©Lukas WerthFotografie wird also ausdrücklich nicht als Mittel zur Abbildung unmittelbar gegebener Fakten gebraucht, sondern als existentielle Ausdrucksform. Dieses Ziel versucht Werth zu erreichen durch eine betont sorgfältige Anwendung fotografischer Mittel bei der Aufnahme, besondere Farben und Tonwerte bei der Wiedergabe im Druck, und gezielte Auswahl und Gegenüberstellungen von Themenbereichen.

Ein Portfolio beschäftigt sich mit der mystischen Tradition und gelebten Religion in Pakistan.

Fotograf ©Lukas WerthDer Begriff Sufismus bezeichnet die mystische, auf der persönlichen Erfahrung Gottes beruhende Dimension des Islam. Sufi-Mystiker haben den Status eines Heiligen, der von einem Meister zu einem Schüler sowie innerhalb von Familien weitergegeben werden kann. Daher sind die heiligen Orte des Sufismus, die Schreine, nicht nur durch die Gräber verstorbener Heiliger, sondern auch durch lebende Heilige charakterisiert, die dort ihre Anhänger um sich scharen.

Fotograf ©Lukas WerthDiese Idee der Heiligkeit bildet in Pakistan einen wesentlichen Aspekt der gelebten Religion und spielt eine wichtige soziale Rolle. Sie bildet mit der Religion des Islam insgesamt einen weiten kulturellen Komplex, der bei den Teilnehmern vielfältige Assoziationen und Vorstellungen hervorruft, denen die Bildern nachspüren. Dabei versucht Werth, in einer bewußt subjektiven Weise seine Interpretation einer komplexen Realität in einem visuellen Medium zu vermitteln. Es geht ihm dabei auch darum, der Ästhetik, die für die Menschen mit den Vorstellungen der Heiligkeit und der Religion verbunden ist, nachzuspüren. Der Islam hatte schon vor dem 11. September keine gute Presse im Westen: die Bilder stellen auch einen Versuch dar, eine kulturelle Realität jenseits der Stereotypen zu beschreiben.

Fotograf ©Lukas WerthZudem tendieren fotografische Repräsentationen Südasiens normalerweise entweder zu dem exotisch schönen oder dem sozial oder kulturell aufregenden oder beunruhigenden: der bunte Händler im Bazar, Tempel, Bauern, Fakire, Schlösser, Landschaften mit Palmen, Kamele, Ochsenkarren, Kühe in der Stadt, Slums, Bettler. Meist wird all dies in leuchtenden, natürlichen Farben gedruckt: die Welt des Touristen. Werth versucht dagegen, durch seine persönliche Beeinflussung der Abbildung und Art der Abstraktion, seine Interpretation also, diejenigen Aspekte des Themas zu zeigen, die jenseits des exotischen liegen. Die Bilder sollen nicht nur den Betrachter hier, sondern auch Menschen in Pakistan ansprechen, sollen deren Werte und Emotionen nachempfinden. Sie versuchen jenes Substrat der Bedeutung erfassen, das in unseren eigenen Lebensräumen die Vertrautheit des eigenen ausmacht. Es sollen also Symbole ins Bild gesetzt werden.

Fotograf ©Lukas WerthWeitere Theme sind urbane Welten, häufig Berlin, Kirchen, historische Gärten und Kulturlandschaften. Urbane Welten sind durch Technik und verschiedene Dimensionen beherrscht: man erlebt häufig eine Verschachtelung der Rationalität der Moderne, in die sich Elemente anderer Ausdrucksformen und Zeiten einschleichen. Werth interessieren vor allem die Zwischenbereiche: zwischen den Zeiten, zwischen den Ebenen. Hier offenbart sich der Schatten anderer Zeiten und Räume, oder es öffnet sich auf sie ein plötzlicher Blick.

Während der objektive Fakt eine intellektuelles Leitprinzip der Moderne ist, war die Allegorie ein Prinzip der vorausgehenden Epoche, dem Barock. Allegorien können nicht nur als Personifizierungen verstanden werden, sondern in weiterem Sinne als die gleichzeitig verspielten und geheimnisvollen Materialisierungen barocker Landschaftsgärten. Die Themen, die sich hier finden, lassen sich mit denen der Moderne in Bezug setzen. Hier und dort findet man Zitate anderer Zeiten und Kulturen.

Fotograf ©Lukas WerthKeine Räume transformieren so die normale, lineare Zeit der Moderne wie die mittelalterlichen Kirchen. Sie können den Eintretenden, wenn er es gestattet, in ein anderes, sakrales Zeit-Raum-Gefüge versetzen, das als Gegenstück zur Moderne gelten kann. Das intellektuelle Leitprinzip einer mittelalterlichen Kirche ist keine allegorische, sondern eine metonymische Verkörperung, die eines moralischen Kosmos.

Urbane Welten, Gärten und Kirchen verkörpern so verschiedene Aspekte menschlicher Ausdrucksformen und Existenzweisen, einer Conditio Humana, der die Bilder nachspüren wollen. Sie werden kontrapunktiert durch Aspekte der kulturellen Landschaft: das Fließen des Flusses steht dem Fluß des Verkehrs gegenüber, in Bäumen und Hügeln erahnt man sowohl die moderne Transformierung als auch die barocken Allegorien, ebenso wie sich in den Säulen von Bäumen eine Spiegelung des Kosmos finden läßt, den die Kirchen gestalten. Bewußte Gegenüberstellungen sollen diese Bezüge verdeutlichen.

Fotograf ©Lukas WerthDie technischen Mittel, mit denen Werth diesen Bezügen nachzuspüren versucht, bestehen im Gebrauch von Großformat- und Lochkamera, bewußter perspektivischer Kontrolle und der Wiedergabe in altmeisterlichen Edeldruck-Techniken beziehungsweise alternativer photographischer Prozesse: sie haben prinzipiell eine ebenso allgemeine Gültigkeit wie „normale“ Verfahren und eröffnen dem Künstler zudem eine viel reichere Bildsprache. In einem historischen Rückblick läßt sich sicher sagen, daß Richtlinien, die von Paul Strand in der Zeitschrift „Camerawork“, sowie von der Gruppe f64, der auch Ansel Adams angehörte, vertreten wurden, damals vielleicht in Einklang mit der stringenten Ausrichtung der Moderne standen, doch ihr weitgehender Einfluß auf die photographische Kunst des 20. Jahrhunderts zu einem letztlich willkürlichen Dogma der Fotografie als “reinem Medium” führte, welches sie als Kunstform sicher auch einengte. Werth sieht in der Anwendung dieser Prozesse eine ähnliche Funktion, wie sie in der Literatur etwa einem Gedicht oder bestimmten essayistischen oder anderweitigen literarischen Stilmitteln bei der Beschreibung einer Szene zukommt. Eine Beschränkung auf Schwarz-Weiß einerseits oder möglichst natürliche Farben andererseits würde der Bildgestaltung völlig willkürliche Grenzen setzen, und Werths Bilder versuchen ja eben bewußt, die Lebensform der Moderne zu transzendieren.

 
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